"Fremd im eigenen Land"

06.09.2018
Morbider Charme in Odessa
Morbider Charme in Odessa

Wir wollen die Zeit bis zu unserer Rückreise nach Chișinău gut nutzen und spazieren am Vormittag mit unseren Freunden aus dem Hostel für ein paar Stunden durch Odessa. Der Eindruck vom Vorabend bestätigt sich: Die Leichtigkeit, die wir hier spüren, steht in starkem Kontrast zu unseren Erfahrungen in Moldawien.

Am Nachmittag besteigen wir ein Sammeltaxi Richtung Moldawien und machen uns auf die Rückreise. Zum ersten Mal, seit wir hier sind, ist es kühl und regnet. Das herbstliche Wetter begleitet uns die ganze Fahrt und hält auch in Chișinău an.

Dort lernen wir am frühen Abend Eva kennen, die schon vor einer Woche zugestimmt hatte, uns für zwei Nächte auf ihrer Couch schlafen zu lassen. Wir haben uns auf Eva gefreut, weil sie schon in ihren Nachrichten einen sehr sympathischen Eindruck gemacht hatte. Immer wieder hatten wir Mails erhalten, die mit "Ladies, ..." anfingen und voller Vorfreude auf unseren Besuch waren.

Jetzt, da Eva vor uns steht, ist die wahre Lady im Raum eindeutig sie. Sie ist elegant, klug, witzig und auf diese angenehm beiläufige Art gastfreundlich, als ob sie ständig Besucher hätte. Eva verbringt nur ein paar Monate im Jahr in ihrer Heimatstadt Chișinău und lebt den Großteil der Zeit in Kalifornien. Zuvor hat sie eine Weile in Bulgarien gewohnt, weshalb sie uns jetzt ein traditionelles bulgarisches Gericht kocht, eine Art Joghurtsuppe mit Gurke, Knoblauch und Walnüssen.

Neben Eva und uns sitzt auch Katharina aus Tschechien mit am Tisch. Sie lebt gerade für einen Monat zur Untermiete bei Eva, um sich in Chișinău einem Forschungsprojekt zu widmen. Für uns ist es interessant, Katharinas und Evas Unterhaltungen zu folgen, weil die beiden viel über die Geschichte Osteuropas erzählen können.

Auch Evas persönliche Geschichte ist für uns spannend. Sie ist als Kind russischer Eltern in Chișinău geboren und aufgewachsen und hat zwar schon immer von der weiten Welt geträumt, Moldawien aber doch als ihr Heimatland und Zuhause betrachtet. "Als dann die Rumänisierung Moldawiens einsetzte, war ich erst mal völlig orientierungslos", sagt Eva. "Ich konnte überhaupt nicht verstehen, warum ich plötzlich als Russin beschimpft wurde und zwischen den Seiten wählen sollte."

Wieder einmal ist die Zerrissenheit zwischen den Welten das dominierende Thema. Sie ist uns schon sooft begegnet auf dieser Reise - erst für Moldawien als Ganzes, dann in Transnistrien und nun auch auf ganz persönlicher Ebene in Evas eigener Biographie.

Vorschau: Wir folgen Evas Tipps und lernen Chișinău noch besser kennen.

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